12.15.2008

ANGRIFFE in den Kammerspielen


Mittwoch, 17. Dezember 2008
NINFO/NO INFO Veranstaltungsreihe von Schorsch Kamerun
Einlass: 21 Uhr
Eintritt: 6/4 Euro
Kammerspiele/Neues Haus
Falckenbergstr. 1
80539 München
Moderation: Hendrik Rohlf
Es lesen : Wiebke Puls, Hans Kremer, Sebastian Weber, Alban Lefranc

Antoine Brea über Nico

http://antoinebrea.blogspot.com/2008/12/sur-lamiti-et-sur-ses-privilges.html

12.10.2008

Angriffe in der F.A.Z.


Ein Fake mit Fortüne

Ein Artikel von IRENE BAZINGER

http://www.faz.net

Foto : F for Fake (Orson Welles)

12.03.2008

Nico und ANGRIFFE in Livres Hebdo

Ein Artikel von Véronique Rossignol, im Livres Hebdo erschienen (auf das Bild klicken).

http://www.editions-verticales.com


12.01.2008

11.13.2008

Angriffe im Deutschlandfunk

Rezension und Interview mit Ralph Gerstenberg.

http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2008/11/13/dlf_20081113_1610_bdc8f72e.mp3

Der erste Teil der Sendung befasst sich mit Klage von Rainald Goetz.

11.10.2008

ANGRIFFE auf WDR3

eine Rezension von Werner Köhne:
WDR3 Passagen
10.11.08

http://gffstream-4.vo.llnwd.net/c1/radio/buchrezensionen/wdr3_buchrezension_20081110_1500.mp3

Sendemanuskript:
Alban Lefranc, Jahrgang 1975, lebt in der Normandie und ist Begründer und Chefredakteur der deutsch-französischen Literaturzeitschrift La mer gelée. Zugleich hat er sich auch als Übersetzer der Werke von Peter Weiss hervorgetan. In drei Kurzromanen entwirft er die Portraits dreier deutscher Künstler: von Rainer Werner Fassbinder, dem Schriftsteller Bernward Vesper und der Sängerin Nico. Alle drei Ikonen der neunzehnhundertsechziger und -siebziger Jahre in Deutschland. Aus dokumentarischem, biografischen und fiktiven Material setzt sich seine literarische Rekonstruktion ihrer Lebensläufe zusammen, die jetzt unter dem Titel „Angriffe. Fassbinder, Vesper, Nico“ im Münchener Blumenbar Verlag erschienen sind.
Werner Köhne hat Lefrancs literarische Bearbeitung eines deutschen Komplexes gelesen.

Die Reduktion eines fühlenden Körpers auf ein Gesicht, das zu einer Marke wird: das war das Schicksal von Nico, die mit bürgerlichen Namen Christa Päffgen hieß. Als Kriegskind ohne Vater aufwachsend, wird sie von Heinz Östergaard in den Fünfzigern zur Ikone aufgebaut. Als kühle Heroine entspricht sie sowohl dem Nostalgiehang der deutschen Kriegsheimkehrer als auch dem Image, das man sich - mit leichtem Schauder - international von einer deutschen Rassefrau macht. Paris Mailand ;New York: das Karussell der Eitelkeiten wird für sie in Gang gesetzt. Es beschleunigt sich, als Nico in Manhattan auf Andy Warhol und die Gruppe Velvet Underground trifft. Lou Reed nimmt sie in die Band auf, schmeißt sie aber bald schon wieder raus. Drogen kommen hinzu. Der Marktwert sinkt. Nicos Kapital, ihr Gesicht, verblasst.
Lefranc beschreibt den Prozess, als wolle er einen Satz von Gottfried Benn bestätigen: die Geschichte eigne sich nur als Material für herausragende Individuen. Der Preis für diese Zurichtung ist allerdings hoch: Vereinsamung und Selbstzerstörung.

Sein Geschick, eine Legende den voyeuristischen Blicken der Öffentlichkeit zu entreißen, sie als sprechenden Körper in ihre Zeit zurückzuversetzen beweist Alban Lefranc auch im Portrait Fassbinders.
In den sechziger und siebziger Jahre wurde Fassbinder wegen seiner Arbeitswut und sexuellen Suchbewegungen als monströses Opfertier gehandelt, ein Künstler, der die ungute Mischung aus Genialität und Selbstzerstörung verkörperte wie kein zweiter. Lefranc steigt auch in diesen Leib hinein und horcht auf dessen innere Stimme:
„Mein Körper ist nichts als ein Treibriemen zwischen erfühlten Körpern, aus nächster Nähe erfühlten Körpern – und der Film, in dem gekreuzte Körper, penetrierte Körper dargestellt, in Einstellungen und Schnitten neu formuliert werden, an Hand der einzigen Philosophie – Licht und Maske.“

Beide, Fassbinder und Nico, sind Ausgeburten des Nachkriegsdeutschlands und es ist beeindruckend, wie der Erzähler ihre Tragödie in das damalige Zeitgeschehen einrückt. Hat er sich das alles erlesen ? Die aufgedeckten Hintergründe sind sicherlich Frucht genauer Recherche. Aber da ist weitaus mehr als die übliche Ikonographie zu bestaunen. Lefranc löst literarisch ein, was sich bei Fassbinder zwischen Leben und Werk vollzog: Er ertrug die bundesdeutsche Normalität nicht, deshalb stellte er sie fast statuarisch dar oder als Höllen-Szenario aussichtsloser Sexualität. Ausgerechnet ein französischer Autor legt so den Riss in der deutschen Nachkriegs-Geschichte frei: sie zeigte sich als eine zwischen Lähmung und eruptiver Gewalt. Natürlich läuft all dies auf den Komplex 68 hinaus und die nachfolgenden Geschehnisse um die RAF.
Da überrascht es nicht, dass sein drittes Porträt einem weiteren Verzweifelten gilt, der in dieses bleierne Geschehen verstrickt war: Bernward Vesper, Sohn des Nazischriftstellers Will Vesper.
Sein Roman „Die Reise“ gehört noch immer zu den beeindruckendsten Zeugnissen der sich am Faschismus abarbeitenden 68er. Es geht um den misslungenen Vatermord eines Mannes, der auf ewig Sohn bleibt und daran zerbricht. Auf beklemmende Weise korrespondiert die rauschhafte Selbstzerfleischung Vespers mit dem Absolutheitsanspruch der RAF. Bindeglied war hier Gudrun Ensslin, die langjährige Frau Vespers. Viel ist darüber spekuliert worden, warum diese protestantische Idealistin für den Polit-Macho Andreas Baader den selbstquälerischen Intellektuellen Vesper verließ. Lefranc liefert eine Antwort:
„Sie hörte zu, wenn er auf seine Brust einhämmerte, das große Heft in die Höhe hielt, sich anklagte, die anderen dafür anklagte, dass sie sich nicht genug selbst anklagten: Man musste den Menschen das allgemeine Unglück ins Bewusstsein rufen, denn einzig im Zustand vollständiger Zerrissenheit kann der Geist hoffen, zu seiner Wahrheit zu gelangen. Und dann hörte sie nicht mehr zu. Die Gewohnheit fiel wie ein Mantel von ihren Schultern. Schließlich wurde es ihr unbegreiflich, wie sie ohne den entschuldbaren Einfluss von Liebe oder Rausch auch nur einen Moment an seiner Seite hatte verbringen können ?“

Alban Lefranc, zeigt sich in allen drei Porträts als hochreflektierter Erzähler, der die Bilder zertrümmert, um sie mittels Fakten und erfundenen Elementen wieder zusammenzubauen. Das schafft jenen von Walther Benjamin benannten Choc des Eingedenkseins, den die eine heute dominierende Erinnerungskultur uns systematisch vorenthält. „Angriffe“ - so der Titel des Buches – zeigt aus der Distanz eines Nachgeborenen, dass es bei diesem Thema immer noch Entdeckungen zu machen gibt.


10.27.2008

ANGRIFFE in den Münchner Kammerspielen

Am Mittwoch, 17. Dezember 2008,
um 21.00 Uhr
im Neuen Haus:

http://www.muenchner-kammerspiele.de/index2.php?&URL=home.php?

Ein Interview mit Schorsch Kamerun über die Reihe NINFO / NO INFO

Ein Auszug aus ANGRIFFE im EDIT # 47 erschienen



Im EDIT # 47 ist gerade ein Auszug aus dem ersten Teil von ANGRIFFE erschienen.
"Ich bin das Glück dieser Erde". (Übersetzung: Katja Roloff)
Alle Infos unter
http://www.editonline.de/website/index.html

10.07.2008

Buchpremiere: ANGRIFFE


am 21.10., im MONARCH
, Berlin:

Buchpremiere von ANGRIFFE in der Lesereihe Verbrechersammlungen.
Es lesen Katja Roloff und Alban Lefranc



Skalitzerstr. 134. 10999 Berlin
Beginn: 20.30 Uhr.

Eintrittspreis: 4 €


alle Infos zur Lesung: http://www.verbrecherverlag.de/verbrecherversammlungen
alle Infos zum Buch: http://www.blumenbar.de/blumenbar_dat/buch_angriffe.html

NICO erscheint auf französisch bei Verticales/Gallimard

Der dritte Teil der Romantrilogie, Sie waren nicht dabei, der sich mit der Sängerin Nico auseinandersetzt, erscheint am 8. Januar 2009 bei Verticales/Gallimard.

http://www.editions-verticales.com




10.03.2008

Angriffe auf ARTE

Drei Romane von Albanc Lefranc
http://www.arte.tv/de/2246576.html


Alban Lefranc, fasziniert vom Deutschland der 1960er und 70er Jahre, erfindet drei packende Lebensläufe neu: den des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder, den des einstigen Verlobten von Gudrun Ensslin und Autors von Die Reise, Bernward Vesper, und den der Sängerin Nico.

*

Angriffe vereinigt drei Lebenserzählungen in einem Band, drei tragische Schicksale, die die souveräne Schreibhand Alban Lefranc aufs Engste erfasst und sehr viel weiter führt, als eine einfache Biographie das je könnte. Rainer, vor einem Berg von Töpfen in der Küche, stellt sich einen Film vor, Gudrun klebt ihre stummen Lippen an die Scheibe im Besuchsraum, Nico sieht auf Ibiza einen Engel auf dem Fahrrad. In der Verschränkung von Fakten und erfundenen Elementen, durch das Aneinandermontieren von dokumentarischen Texten und Bruchstücken von Gedichten findet Alban Lefranc den stoßenden Rhythmus, die unaufhaltsame Bewegung eines Sturzes, den er dem Ruhm, dem Tod, dem Vergessen entreißt:

"Sie bekamen sonderbare Halluzinationen in Gehör und Muskeln, widersinnige Körper. Sie versuchten, ihre Sprache zu retten, ihr Blut in den Mund zu pumpen, Definitionen aufzustellen, die so messerscharf und blutig waren, dass kein Staat ihnen standhalten würde."


Drei exemplarische Leben: ein Schwuler, ein Schriftsteller und eine Heroinsüchtige

Diese drei imaginären Biographien sind Teil einer umfassenden Bewegung der französischen Literatur seit Jahrzehnten, die das autobiographische Modell aufgreift, um es zu unterwandern. Erinnert sei an Pierre Michons grundlegendes Buch Leben der kleinen Toten, in dem bedeutungslose Existenzen in der tiefsten Provinz prominent wurden. In den Randzonen der deutschen Stadt, unter Schwulen, Abgetauchten und Koksern, gräbt Alban Lefranc seine sperrigen Leichen aus, um sie zu exemplarischen Figuren zu machen.

"Sein Lachen aber, auch wenn sie es mit vereinten Kräften angingen, wenn sie seinen Mund mit Erde zuschaufelten, wenn sie den Sarg mit Retrospektiven über ihm zunagelten, glaubten sie wirklich, sie könnten sein Lachen abstellen?"


Nur wenige Schriftsteller haben sich letztlich daran gewagt, diese dunkle Periode der deutschen Geschichte literarisch auszugraben. Und genau das macht die Einzigartigkeit von Alban Lefrancs Unterfangen aus. «Mich interessierte zuerst ihr Verhältnis zur Sprache, was sie anfangen wollten mit der Sprache, warum diese Sprache nach der Nazizeit verhindert wurde», sagt der Schriftsteller über die, die stigmatisiert wurden als «die Baader-Meinhof-Bande». «Bei all meinen Figuren findet sich das Verlangen, zu einer lustvollen Sprache zu finden». Ob es nun Baaders Parolen sind oder Ensslins Weigerung zu sprechen, Vespers Poesie, die ins Leere läuft oder Nicos langes Gestotter: alle Figuren Alban Lefrancs sind sprechende Körper. Münder, die ganz physisch die Symptome einer Epoche auf das Papier bringen, die zerrissen wird von Schuld und Leugnen:

"Wir sind aus den konsumverwüsteten Hirnen und dem Dogma der Gewaltlosigkeit hervorgegangen. Wir sind mit Depressionen, Krankheiten, sozialen Abstiegsängsten aufgewachsen. Doch diese Brut hat die Unorte, in die Ihr sie einquartieren wolltet, verlassen. In Euren Eingeweiden habt Ihr eine Armee ausgebrütet", spricht Baader.


Fassbinders dicker, unwürdiger Körper


Endgültig aber sprengt Alban Lefranc in Fassbinders unförmigem Körper, einem Körper, der sich über alle Öffnungen entleert, der sich ergießt in Kotze, Blut und Scheiße, der geduldig gestaltet wurde durch eine strenge Diät aus Missbrauch aller Arten – Sex, Alkohol, Drogen, Bulimie – den hergebrachten Rahmen der Biographie in einem überaus neuartigen Künstlerporträt. Ganz nach der "Methode RWF" verschlingt der Schriftsteller buchstäblich seinen Gegenstand.

Er folgt ihm überallhin, in die Gassen, in seine Träume, ins Bett. Er hört ihm zu beim Gespräch mit Frauen, Journalisten, Lovern. Er saugt seine Ängste auf, verinnerlicht seine Fantasien, macht seine Exzesse zu den eigenen bis zum "Putsch im Innern". Und die Erzählung schwillt und schwillt. Am Ende, so schreibt Alban Lefranc, war Rainer Werner Fassbinder so dick geworden, dass "die Welt (sich) wand (…) in Verzückung vor ihm".

Alban Lefranc wurde 1975 im nordwest-französischen Caen geboren, er lebt in Paris und Berlin. Bisher hat er vier Romane veröffentlicht. Er hat unter anderen Peter Weiss ins Französische übersetzt und ist Chefredakteur der deutsch-französischen Literaturzeitschrift La mer gelée, die er 2002 gründete.

Eine Rezension von Christine Lecerf

9.26.2008

Interview mit RFI




Ein Interview mit RFI Deutschland (MP3), im Juni 06, nach der Erscheinung in Frankreich von Münder und Waffen (Original Titel : "Des foules, des bouches, des armes)

Presse (auf französisch) über Des foules, des bouches, des armes (Melville / Léo Scheer, 2006)

9.21.2008

Interview mit Antonio Farinaci über Angriffe


RADIKAL LEBEN

Rainer Werner Fassbinder, Bernward Vesper und die Sängerin Nico sind die Protagonisten der biographischen Romantrilogie „Angriffe“ des französischen Schriftstellers Alban Lefranc
São Paulo, 26.7.2008
von Antonio Farinaci
(Übersetzung ins Deutsche: Katja Roloff)

Im Oktober erscheint in Deutschland eine Roman-Trilogie über drei Ikonen der jüngsten deutschen Geschichte, vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse seit Mitte der sechziger Jahre, insbesondere der 68er-Bewegung in Westdeutschland.

Die extremen Lebensentwürfe des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder, des Schriftstellers Bernward Vesper und der Sängerin Nico stehen im Mittelpunkt der Roman-Trilogie des französischen Schriftstellers Alban Lefranc, 33, die unter dem Titel „Angriffe“ in Deutschland erscheinen wird. Zwei dieser Texte, „Attaques sur le chemin le soir dans la neige“ („Angriffe auf dem Weg im Schnee am Abend“) über Fassbinder, und „Des foules, des bouches, des armes“ (in der dt. Fassung „Münder und Waffen“) über Bernward Vesper, sind bereits in Frankreich erschienen.

„Jede dieser drei Figuren sucht nach einer Form (Film, Literatur, Musik), um an der Zeit, in der sie leben, und an dem Abscheu für diese Zeit nicht zugrunde zu gehen“, fasst der Autor in einem Interview mit Trópico in Berlin, wo er zurzeit lebt, zusammen.

Fassbinder und Vesper fühlten sich als Außenseiter: Der Filmemacher, weil ihm der Weg in die deutsche Filmwelt erschwert wurde, der Schriftsteller aufgrund seiner Familiengeschichte: er war Sohn des NS-Dichters Will Vesper. Nico beschritt den entgegengesetzten Weg, vom Jet Set in die Subkultur.

Die Nachkriegszeit, der Wiederaufbau auf den „Ruinen des Nationalsozialismus und seine Lügen“ haben die drei unterschiedlichen Figuren entscheidend geprägt. „Das erdrückende gesellschaftliche Klima und die moralische Ordnung, die sich in Deutschland seit Adenauer etabliert hat und die später, Ende der sechziger Jahre (zumindest scheinbar) umgestoßen wird, sind ihnen unerträglich“, so Lefranc. „Für alle drei ist Kunst eine existenzielle Notwendigkeit“.

Für die Romane griff Lefranc auf biographisches Material der Figuren sowie Filme und Bücher zurück. Ebenso wichtig ist ihm jedoch die Freiheit der Fiktion. „In manchen Fällen entferne ich mich sehr von den realen Fakten“, erklärt Lefranc, „und erfinde Umstände und Momente, die mir aussagekräftiger erscheinen, wirklicher als das, was für real gehalten wird“.

***

Alban Lefranc im Interview mit Trópico


Welche Verbindung besteht zwischen den drei Figuren Fassbinder, Vesper und Nico?

Alban Lefranc: Alle drei mussten sich von den Ruinen des Nationalsozialismus und den Lügen des Wiederaufbaus befreien. Hinter ihnen liegt eine unvorstellbare Katastrophe, ein grauenvolles Verbrechen, vor ihnen der Optimismus des Wirtschaftswunders und der Antikommunismus als neue Staatsreligion.
Rossellinis Deutschland im Jahre Null ist vielleicht der Film, der diese Katastrophe, die Verzweiflung, die am Anfang lag, am besten wiedergibt.
Alle drei haben eine geradezu selbstmörderische Lebenswut. Sie suchen nach einer Form (Film, Literatur, Musik), die es ihnen ermöglicht, an dem Abscheu für die Zeit, in der sie leben, nicht zugrunde zu gehen.
Für alle drei ist Kunst eine existenzielle Notwendigkeit.
Das erstickende gesellschaftliche Klima und die moralische Ordnung, die sich in Deutschland seit Adenauer etabliert hat und die später, Ende der sechziger Jahre (zumindest scheinbar) umgestoßen wird, ist ihnen unerträglich.
Alle drei teilen die Anliegen der Studentenproteste und unterstützen, zumindest zu Anfang, den bewaffneten Widerstand.
(Man kann die Ereignisse dieser Zeit nicht nachvollziehen, wenn man außen vor lässt, dass unter Intellektuellen und Studenten ein gewisser Konsens zur Befürwortung des bewaffneten Widerstands herrschte: Der Gewalt, die der Staat anwendete, musste man mit Gewalt begegnen.)
Die drei Figuren sind auf gewisse Weise von Enttäuschungen geprägt. Wie äußern sich ihre Enttäuschungen, ihre Verzweiflung?

Ja, Enttäuschungen spielen eine Rolle.
Doch keiner der drei schleppt diese Enttäuschungen mit sich herum, keiner von ihnen ist anfällig für Ressentiments. Die Enttäuschung ist für sie nur ein Ausgangspunkt. Die Frage ist vielmehr: Was fängt man seinen Hemmnissen, seinen Grenzen an?
Bei Fassbinder und Vesper auf der einen und Nico auf der anderen Seite verläuft die damit verbundene Entwicklung sehr unterschiedlich.
Fassbinder und Vesper sind zunächst Außenseiter. Der Drang, anerkannt zu sein, in ihr künstlerisches Milieu aufgenommen zu werden, gibt ihnen eine enorme Kraft. Ihr Leben lang (zwei kurze Leben: RWF starb mit 37, Vesper mit 32) verfolgt sie das Gefühl, außen vor zu bleiben, der Komplex des Provinziellen gegenüber dem Eleganten, des Fremden gegenüber dem Einheimischen. Dieser Komplex vernichtet sie nicht, im Gegenteil, für RWF ist er ein äußert produktiver Antrieb. Selbst, als er bereits anerkannt ist, bleibt er unverdaulich, zu skandalös, sowohl wegen seines Lebenswandels, um den er keinen Hehl macht (zu schwul, drogensüchtig …) als auch wegen seiner Kunst (zu radikal).
Nico wird von einem Tag auf den anderen von diesem Milieu aufgesogen (Jet Set, Geld, berühmte Künstler), noch bevor sie überhaupt die Zeit hat, den Zutritt in diese Welt zu begehren. Schließlich setzt sie alles daran, daraus auszubrechen und alles, was sie hat, zu verschleudern.
In seinen Tagebüchern schrieb Kafka: „Literatur ist Ansturm gegen die Grenze“. Diese grundlegende Beziehung zur Grenze haben alle drei Figuren gemeinsam. Sie sind sich der Bedeutung und der Bedingtheiten von Grenzen sehr bewusst. Zu welcher Gruppe gehöre ich oder nicht? Wer entscheidet, wer ich bin? Wer „macht“ mich zum Künstler? Welche Rolle spielen die Journalisten und wie gehe ich damit um?

Wie kam es zu dem Titel der Trilogie, „Angriffe“?

Alle drei Figuren haben eine von Gewalt bestimmte Haltung zur Welt. Die Welt, die Kunst bedeuten für sie Krieg. Die Metapher des Krieges ist bei ihnen allgegenwärtig. Gleichzeitig befinden wir uns auch in der Zeit des Koreakriegs, des Vietnamkriegs (50er/60er), der Befreiungskriege der Kolonien, und später der Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Staatsgewalt, der RAF-Attentate in Deutschland.
Angriffe: Das ist die Atmosphäre der Zeit.

Wie kam es nach den Romanen über Fassbinder und Vesper zu Nico als dritte Figur der Trilogie?

Nico kam als notwendiger, vervollständigender Komplex hinzu. Erst Film, dann Literatur, schließlich die Musik.

Darüber hinaus hatte ich den Wunsch, als mich als Mann in einer Fiktion mit der Biographie einer Frau auseinanderzusetzen (und zwar spezifisch in der Form der biographie imaginaire, der fiktiven Biographie, in der man eine Figur „kolonisiert“, es wagt, sie sprechen zu lassen, die biographischen Leerstellen zu füllen, sich in ihr Begehren hineinzuversetzen).

In allen drei Romanen ist auch die Sexualität als Fluchtweg oder Weg in den Tod allgegenwärtig; nach einem möglichen homosexuellem Begehren (RWF), einem möglichen heterosexuellem Begehren (Vesper), ein mögliches Begehren (oder das Nicht-Begehren unter Drogen) einer Frau. (ganz ausdrücklich EIN mögliches. Ich möchte mir selbstverständlich keine Verallgemeinerungen anmaßen.) Die Weiblichkeit mit all ihren Implikationen stellte für Nico auch ein Hindernis dar, sich in einem stark männerdominierten Milieu, in der Musikbranche, im Film, durchzusetzen; sie wurde auf die Rolle der schönen, stummen Frau reduziert, wurde nicht ernstgenommen. Viele Artikel über sie sind äußerst abwertend, gestehen ihr ausschließlich die Rolle der Ikone und Muse männlicher Künstler zu.

Nico hat einen großen Teil ihrer Karriere im Ausland verbracht. Jedoch hat sie weiterhin eine enge, explosive, unbedingte Beziehung zu Deutschland und der deutschen Sprache. Als sie in Deutschland auftritt, widmet sie ihre Songs Andreas Baader, so zum Beispiel die verbotene erste Strophe des Deutschlandlieds.

Was bewegt Sie als französischer Autor dazu, sich in Ihren Romanen mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen?

Ich habe fast die ganzen letzten zehn Jahre lang in Deutschland gelebt, in Bochum, Dresden, Bonn und Berlin. Das Land kenne ich mittlerweile ganz gut. Ich glaube, dass ich als Ausländer, mit einem fremden Blick möglicherweise freier über diese Geschichte sprechen kann. Ich fasse sie nicht mit Glacéhandschuhen an. Und ich habe ein abstrakteres Verhältnis zu dieser Geschichte, ich habe keine Verwandten oder Freunde, die diese Zeit erlebt haben: Das kann paradoxerweise eine Chance sein.

Alles begann mit RWFs Filmen. Seine großartige Episode in Deutschland im Herbst war für mich der Schlüssel zu dieser Zeit: Die Verbindung von Körper und Politik, Privatem und Öffentlichem, die Darstellung der Affekte, die sehr subjektive Sicht, die Wut als Rettung …

Welche Quellen haben Sie für die Darstellung der Figuren in Ihren Romanen verwendet? Und inwieweit bleiben sie den realen Fakten treu?

Ich habe auf die bereits vorhandenen Biographien zurückgegriffen, aber auch auf Filme (Pierrot le fou, z.B., oder Badlands für Baader, When we were kings für RWF, Last Days für Nico) und Schicksale von Persönlichkeiten, bei denen es in meinen Augen einen Zusammenhang zu diesen Biographien gab, wie z.B. Mohammed Ali.
Meine Texte sind nicht besonders erzählerisch. Ich suche Bilder, Farben, Atmosphären, in denen etwas von der Dichte dieser Leben erfahrbar wird.
Zum Teil entferne ich mich sehr von den realen Fakten. Ich erfinde durchaus Umstände und Momente, die mir aussagekräftiger erscheinen, wirklicher als das, was für real gehalten wird.
Ich glaube, dass es vor allem wichtig ist, die Lücken eines Lebens wiederzugeben, die scheinbar harmlosen Details; und dass die ins Auge springenden Fakten (z.B. Nico tritt in La Dolce Vita auf) kaum Bedeutung haben. Sie sind im Grunde unbedeutende Fakten, auf die man eine reale Person festnagelt und die sie als solche beinahe vernichten. Diese Fakten werden zu Klischees, eine kleine Begleitmelodie (ach ja, Nico, Velvet Underground, ja ja …), die letztlich nichts aussagt.
Besonders augenfällig ist das bei Nico, die ständig neben andere, gewichtigere Berühmtheiten gestellt wird, Lou Reed, Warhol, Fellini. Ich wollte die anderen Facetten einfangen.

Das Anliegen, ein Ganzes zu fassen, das komplexer und geheimnisvoller ist als bloße Fakten, hat Rousseau ganz wunderbar auf den Punkt gebracht:
„Klimate, Jahreszeiten, Klänge, Farben, Dunkelheit, Licht, Elemente, Speisen, Geräusche, Stille, Bewegung, Ruhe, alles wirkt auf unsere Maschine ein und somit auch auf unsere Seele“.


aus: Trópico
http://p.php.uol.com.br/tropico/html/textos/2994,2.shl








9.13.2008

Angriffe erscheint am 6. Oktober 2008





Eine Reise ins Herz des deutschen Underground Drei Kurzromane über radikale künstlerische Lebensentwürfe vor dem Hintergrund der Nachkriegszeit und der Geschichte der RAF: In den Biografien des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder, des Schriftstellers Bernward Vesper und der Sängerin Nico findet Alban Lefranc den Stoff, aus dem neue Literatur entsteht.


Inhalt: Alban Lefranc erschafft aus dokumentarischem, biografischem und fiktivem Material einen von polyphonen Stimmen getragenen Text, der einen neuen Blick auf die jüngste deutsche Geschichte freilegt: Fassbinder, der in den letzten Tagen seines Lebens der völligen Verausgabung entgegengeht. Vesper, Sohn eines prominenten NS-Schriftstellers, Lebensgefährte von Gudrun Ensslin und Autor von Die Reise, der schreibend um eine neue Sprache und Identität ringt. Nico, die Verkörperung deutschen Glamours, die mit The Velvet Underground und Andy Warhol zusammenarbeitet und als Solokünstlerin einen radikalen und selbstzerstörerischen Weg geht.

Alle Infos unter :
http://www.blumenbar.de/blumenbar_dat/buch_angriffe.html